Menschenrechte, Entwicklung, Frieden
Die Guttempler setzen sich für eine Welt ein, in der sich Menschen ohne Beeinträchtigung durch Alkohol und andere Drogen entwickeln und in Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Gesundheit leben können.
Dieses Ziel verfolgen Guttemplerinnen und Guttempler seit der Gründung 1851 mit den Idealen Enthaltsamkeit, Brüderlichkeit und Frieden.
Enthaltsamkeit
Für uns bedeutet Enthaltsamkeit ein Leben frei von Alkohol und anderen Drogen. Alkohol- und Drogenfreiheit ist einerseits die notwendige Folge einer überwundenen Abhängigkeit, andererseits ein Bekenntnis der Solidarität mit den Menschen, die durch Alkohol und andere Drogen Leid erfahren. Zugleich ist die alkoholfreie Lebensweise ein Zeichen des Boykotts einer Ware, welche mehr Schaden verursacht als Nutzen stiftet. Mit unserer bewussten Entscheidung, alkoholfrei zu leben, geben wir ein Beispiel für eine gesündere, unabhängige Lebensweise.
Brüderlichkeit
Wir setzen uns für Brüderlichkeit unter allen Menschen ein. Diese Haltung beginnt mit der Hilfe für den Nächsten, den Menschen mit Alkohol- und anderen Suchtproblemen sowie Angehörige, und setzt sich im Miteinander in der Gemeinschaft fort. Unsere Hilfe ist Ausdruck einer persönlichen Lebenshaltung, dem Willen zur selbstlosen Nächstenliebe, zur Gemeinschaft mit allen Menschen, gleich welcher Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, religiöser oder weltanschaulicher Einstellung oder gesellschaftlicher Stellung.
Frieden
Wir sind Mitglied der weltweiten Gemeinschaft von MOVENDI International. Alle Mitglieder dieser internationalen Organisation begegnen sich mit Achtung und Akzeptanz und setzen sich für den Frieden zwischen allen Menschen ein. Frieden ist der Zustand, in dem ein gerechter Ausgleich unterschiedlicher Interessen nur gewaltlos erreicht werden kann. Für uns beginnt der Frieden im engsten Kreis, in den Familien und Guttempler-Gemeinschaften. Dort wird gelernt, Eigeninteressen zurückzustellen und andere Menschen durch Argumente zu überzeugen, anstatt eigene Vorstellungen gegen die Interessen anderer durchzusetzen.
Wir helfen Suchtkranken und Angehörigen
Im Mittelpunkt unserer Aktivitäten steht die Hilfe für suchtkranke Menschen und Angehörige suchtkranker Menschen. Abhängigkeit ist kein Ausdruck persönlicher Schwäche, sondern eine erfolgreich behandelbare Erkrankung. Eine Abhängigkeit betrifft jedoch nicht allein den suchtkranken Menschen, sondern beeinträchtigt immer auch die Entwicklung und den Zusammenhalt seiner sozialen Beziehungen, besonders der Familie.
Wir richten unsere Hilfe darum nicht nur an die Abhängigen, sondern an die ganze Familie. Diese Hilfe geschieht vor allem in Selbsthilfegruppen, die je nach Ansatz der Arbeit auch »Gesprächsgruppen« oder »Vorgruppen« genannt werden.
Zur Kontaktaufnahme besuchen wir darüber hinaus Krankenhäuser und Fachkliniken oder beraten Hilfe suchende Menschen persönlich und am Telefon.
Wir helfen ohne Ansehen der Person
Aus allen gesellschaftlichen Schichten werden Menschen suchtkrank. Die Abhängigkeit äußert sich dabei in unterschiedlichen Ausprägungen, unterschiedlicher Dauer und unterschiedlicher Intensität. Das Erkennen der eigenen problematischen Situation ist oft ein Anlass, um einen ersten Schritt in Richtung Krankheitsbewältigung gehen zu können. Dies kann ein Anruf sein, ein Kontakt mit dem gut ausgebauten professionellen Hilfesystem oder ein Besuch in einer Selbsthilfegruppe. Wir heißen jeden Menschen herzlich willkommen und bieten unsere Möglichkeiten der Hilfe an.
Wir helfen in Selbsthilfegruppen
In Selbsthilfegruppen treffen sich Menschen mit vergleichbaren Problemen, um sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Dort ist es wichtig, dass sich Menschen aus verschiedenen Stadien der Erkrankung zusammenfinden. Das eigene Problem wird geschildert, und die anderen Teilnehmenden erzählen, wie sie dieses oder ähnliche Probleme gelöst haben. Durch diese Schilderungen werden Möglichkeiten aufgezeigt, aus denen jeder eine für sich richtige Lösung finden kann.
Die Beschreibungen der Wege in die Krankheit helfen denen, die schon lange abstinent leben, sich an ihre eigene Abhängigkeit zu erinnern. Wenn jene dann wiederum ihre Wege aus der Abhängigkeit schildern, hilft das den neuen Teilnehmern der Gruppe.
Wir gehen auf die Menschen zu
Nachdem das Bundessozialgericht 1968 Alkoholismus als Krankheit anerkannt hat, entwickelte sich ein professionelles Hilfesystem mit ambulanten und stationären Therapien, mit Nachsorgemöglichkeiten und Angeboten der praktischen Lebenshilfe. Dies führte dazu, dass auch die freiwillig geleistete Hilfe sich zu einer »Komm-Struktur« entwickelte – Menschen mit Suchtproblemen erhielten Hilfe, wenn sie in die Gruppen kamen.
Aktuell gibt es eine Tendenz zur Veränderung. Es geht wieder um den direkten Kontakt zu den abhängigen Menschen beziehungsweise den Angehörigen. Es geht um die Hilfe und die Begleitung bei den ersten Schritten aus der Abhängigkeit, es geht darum, den »persönlichen Tiefpunkt« zum Anlass einer Veränderung zu nutzen. Mit der aufsuchenden Arbeit möchten wir Menschen die Schwellenangst nehmen, in die Selbsthilfegruppe zu kommen.
Frühe Warnsignale eines Alkoholproblems, wie z. B. Führerscheinverlust, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder Beziehungskrisen, können zum Anlass genommen werden, auf Menschen zuzugehen und sie über unsere Hilfemöglichkeiten zu informieren.
Wir begleiten in ein suchtmittelfreies Leben
Ein erster Schritt, die Erkrankung zu überwinden, ist es, keinen Alkohol mehr zu trinken. Dabei helfen der Austausch in der Selbsthilfegruppe sowie die Angebote der Suchtkrankenhilfe, ambulant, teilstationär oder stationär.
Ein weiterer Schritt kann die Verpflichtung zur Enthaltsamkeit von Alkohol als Voraussetzung zur Mitgliedschaft bei uns sein. Als Guttemplerin oder Guttempler wird man Teil einer weltweiten Gemeinschaft, die sich für Suchtmittelfreiheit und Verantwortung einsetzt, die begleitet, betreut und hilft. Für nicht wenige Menschen erweitert sie die Familie und schafft neue, zum Teil lebenslange Freundschaften.
Wir ermuntern zur persönlichen Weiterentwicklung und tragen dazu bei
Nach der Überwindung der eigenen Abhängigkeit oder der Abhängigkeit eines Angehörigen kehrt wieder »Normalität« ins Leben ein. Durch das Miteinander in einer Gemeinschaft von Menschen, die ähnliche Schicksale erlebt haben, können neue persönliche Potenziale entwickelt werden. Wir haben gelernt, uns in vielen neuen Situationen selbst zu helfen, ohne Suchtmittel zu leben, und wieder Sinn und Freude im Leben zu entdecken.
Diese persönliche Weiterentwicklung beeinflusst auch die Familie, das Miteinander mit Freunden und die persönliche Situation im Berufsleben. Das »Nein« zu alkoholischen Getränken und anderen Suchtmitteln macht es leichter, auch in anderen Situationen eigene Ansichten zu vertreten, nicht immer »Ja« zu sagen und dies als persönlichen Druck zu erleben. Selbstbestimmt und zufrieden zu leben – das ist ein persönliches Lebensziel, das mit Hilfe neuer Freundschaften bei uns erreicht werden kann.
Wir wollen den Suchtkreislauf durchbrechen
Kinder mit einem oder beiden suchtkranken Elternteil(en) entwickeln ein hohes Risiko, selbst abhängig zu werden oder an einer anderen psychischen Krankheit zu leiden. Oft sind die betroffenen Elternteile selbst Kinder aus suchtbelasteten Familien, so dass die Suchterkrankung von Generation zu Generation weiter gereicht wurde. Deshalb ist es uns ein wichtiges Anliegen, diesen Suchtkreislauf zu durchbrechen. Kinder aus alkoholbelasteten Familien erfahren bereits von Anfang an unsere besondere Aufmerksamkeit.
Wir arbeiten alkoholpolitisch
Der Pro-Kopf-Konsum an alkoholischen Getränken ist ein wichtiger Indikator für die Belastung einer Gesellschaft mit alkoholbedingten Schäden. Je mehr Alkohol getrunken wird, desto höher sind die Schäden.
Will man diese Schäden vermeiden, ist es notwendig, den Alkoholkonsum zu reduzieren. Die wichtigsten Maßnahmen, die dazu am erfolgreichsten beitragen, sind:
- die Preise zu erhöhen,
- die Verfügbarkeit und die Werbung einzuschränken und
- bei beginnender Abhängigkeit früh zu intervenieren.
Wir haben dazu ein alkoholpolitisches Programm beschlossen, welches im Dialog mit politischen Entscheidungsträgern weiter entwickelt und umgesetzt wird.
Wir fordern »Punktnüchternheit«
Der von unseren skandinavischen Freunden stammende und inzwischen von der Politik übernommene Begriff der »Punktnüchternheit« fordert Alkoholfreiheit zu besonderen Zeiten, bei bestimmten Gelegenheiten und für einzelne Zielgruppen.
Punktnüchternheit für einzelne Zielgruppen bedeutet kein Alkohol für
- Kinder und Jugendliche,
- Schwangere und stillende Mütter,
- ehemals Abhängige.
Punktnüchternheit bei bestimmten Gelegenheiten bedeutet kein Alkohol
- im Straßenverkehr und am Steuer,
- im Betrieb,
- bei Großveranstaltungen,
- im öffentlichen Nah- und Fernverkehr,
- gemeinsam mit eingenommenen Medikamenten.
Punktnüchternheit zu besonderen Zeiten bedeutet kein Alkohol
- am Vormittag,
- zu Weihnachten (»Weiße Weihnacht«),
- am 25. Tag eines jeden Monats (»Orange Day«, der Tag gegen häusliche Gewalt)
Wir informieren und klären auf
Wir nehmen jede Gelegenheit wahr, auf unsere Arbeit zu verweisen und darüber zu berichten. Das geschieht durch Besuche in Schulen und Betrieben; durch die Teilnahme an Messen und Informationstagen für die breite Bevölkerung sowie durch Selbsthilfetage und andere Veranstaltungen.
Diese Arbeit richtet sich nach den Möglichkeiten der einzelnen Gemeinschaften vor Ort. Wir bieten kulturelle Veranstaltungen an, laden zu öffentlichen Informationsveranstaltungen ein und beteiligen uns an gemeinschaftlichen Veranstaltungen der Selbsthilfeverbände.
Alle diese Veranstaltungen in der Öffentlichkeit haben drei Ziele:
- Die Information, wer wir sind,
- das Hilfeangebot für Betroffene und Angehörige bekannt zu machen und
- für eine Mitgliedschaft in einer weltumspannenden Gemeinschaft zu werben.
Wir bilden uns fort
Neben der persönlichen Weiterentwicklung des Einzelnen durch das Erleben der Mitgliedschaft und die Vorbildwirkung der anderen Mitglieder steht die Fort- und Weiterbildung. Wir haben Lehrpläne für unterschiedliche Ausbildungsreihen entwickelt, so zum Beispiel zur Ausbildung freiwilliger Suchthelfer. Die inhaltliche Grundlage der Fort- und Weiterbildung obliegt uns, die praktische Umsetzung übernimmt in der Regel das Guttempler-Bildungswerk e. V.
Wir stehen nicht allein
Wir Guttemplerinnen und Guttempler in Deutschland sind eingebunden in das weltweite Netz von MOVENDI International. Wir sind Mitglied in Eurocare, der europäischen Organisation, die sich für die Reduzierung der alkoholbedingten Probleme und Schäden in Europa einsetzt, sowie von EMNA, dem Zusammenschluss der Suchtselbsthilfe-Verbände in Europa.
In Deutschland sind wir Mitglied in der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und in dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, unser Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege.
Wir arbeiten in kollegialer Weise mit den anderen Suchtselbsthilfeverbänden auf Orts-, Landes- und Bundesebene zusammen.
Beschlossen von der Mitgliederversammlung am 31. Mai 2014 in Hofheim/Taunus